Die E-Gitarre Natürlich ist auch die elektrische Gitarre ein Abkömmling der akustischen Eltern. Man sieht es schon an den Zwischenstufen. Die Schlaggitarre war zunächst ein rein akustisches Instrument. Sie wurde aus der Not der Gitarristen entwickelt, die sich gegen die immer größer werdende Lautstarke der Swing-Orchester und Bigbands der 30er Jahre durchsetzen mussten. Die Gitarren waren ein wichtiger Bestandteil der Rhythmusgnuppe. Also wurde der Korpus entsprechend groß gebaut. Man nannte Schlaggitarren daher auch Cello-Gitarren. Aber auch das reichte bald nicht mehr, und man begann, sich über eine Verstärkung Gedanken zu machen. Es wurden Mikrofonkapseln in das Schallloch geklemmt, die wiederum an radioähnliche Verstärker angeschlossen waren. Dies war die Geburtsstunde der E-Gitarre.
Bei E-Gitarren mit elektrischen Tonabnehmern ist Klang nicht gleich Klang. Da
gibt es zunächst den gravierenden optischen Unterschied. Die meisten
E-Gitarren sind sehr flach und bestehen offensichtlich aus einem massiven
Holzstück, in das die elektrischen und mechanischen Teile eingelassen oder
aufgeschraubt sind. Das sind die Solid-Bodys. Solche E-Gitarren
zeichnen sind aus durch ihre Rückkopplungsarmut und das konstruktionbedingte
Sustain, also das lange Nachklingen des Tons. Mit ihnen erreicht man die
Abfahr-Leadsounds auch direkt vor dem Marshall-Turm.
Daneben gibt es aber auch E-Gitarren mit den gleichen elektrischen und
mechanischen Bauteilen, die nicht ganz so flach sind und ohne Zweifel einen
Hohlraum haben. Eine solche E-Gitarre nennt man Semi-Akustik
(Halb-Akustik), eben weil sie an die Bauweise einer akustischen Gitarren
anlehnt.
Zu dieser Gruppe gehören Gitarren wie die
Gibson ES-335/345 oder Epiphone Riviera. Diese sind aber nicht ganz so hohl
wie es scheint, sondern sie haben im Inneren einen Sustainblock (massiver
Holzblock, der vom Hals bis zum Steg durchgeht). Sie haben ein akustisches
Verhalten ähnlich wie Solid-Bodys, aber etwas mehr Dynamik und vielleicht
etwas weniger Aggressivität.
Semi-Akustiks wie Rickenbacker oder Epiphone
Casino hingegen haben keinen Sustainblock. Sie zeichnen sich aus durch extreme
Dynamik und einen offenen Sound in Richtung Akustikgitarre. Wer z. B. auf die
Sounds der Beatles oder des Brit-Pop steht, braucht so etwas. Allerdings
wächst bei dieser Gitarrenart die Gefahr der Rückkopplung mit zunehmender
Laustärke. Für High-Gain-Leadsounds sind sie daher weniger geeignet. Für
cleane oder leicht angezerrte Rhythmussounds, aber auch für Bluesiges sind sie
dagegen erste Wahl.
Allen semi-akustischen Gitarren ist gemein,
dass man schon ohne Verstärkung ihren Grundklang erahnen kann.
Auch
die konstruktionsbedingten Unterschiede verschiedener Tonabnehmertypen in
allen E-Gitarren verursachen einen jeweils eigentümlichen Klang. Die
physikalischen Gründe werden an anderer Stelle genauer erklärt.
Es haben sich in der Geschichte der E-Gitarre bestimmte Grundtypen
herausgebildet, die in abgewandelter Form immer wieder auftauchen. Man kann sagen, dass Gibson- und Fendergitarren zum Maßstab geworden sind, aus dem sich die meisten anderen E-Gitarren herausgebildet haben und an dem sie gemessen werden. Beide Gitarrenarten unterscheiden sich deutlich in ihrem Aufbau und in ihren Klangeigenschaften. Auch auf dem Markt erhältliche zeitgemäße Modelle lassen an der Body-Form ihren jeweiligen Einfluss erkennen. Allerdings weisen sie meistens eine körpergerechte Ausformung von hinten und an der Armauflage auf. Man nennt dies shaping. Ebenso wird die Kopfplatte oft stromlinienförmig gestaltet. Rein optisch sieht man schon, dass moderne Gitarren abwechslungsreiche Sounds bieten, sind doch häufig zwei Single-Coils und ein Humbucker miteinander verschaltet. Eine Reihe von Minischaltern lässt auf vielerlei Klangvarianten schließen. Die Lautstärke der einzelnen Pickups zueinander kann auch geregelt werden. Viele aktuelle E-Gitarren haben den berühmten Jammerhaken, neudeutsch auch Tremolo genannt. Wenn man an ihm herumhebelt, bewirkt man eine Veränderung der Saitenspannung, also der Tonhöhe einzelner oder mehrerer Töne. Es ist damit möglich, von sparsam gleitenden Klängen bis zum dramatischen Jauleffekt die Töne zu beeinflussen. Bei den einzelnen Gitarrenbauern gibt es zum Konstruktionsprinzip eines solchen Tremolos die unterschiedlichsten Philosophien. Während es früher tatsächlich nur der Haken am kippbaren Steg war, ist daraus heute ein kleines technisches Wunderwerk geworden mit dem Ziel, es möglichst zu verhindern, dass die Saiten sich nach dem Tremoloeinsatz verstimmen. Denn das ist der Knackpunkt der Angelegenheit: Saiten zu dehnen und zu entspannen ist eine Sache, die physikalischen Grundgesetze eine andere. Bei früheren Systemen war es immer so, dass Tremolieren unweigerlich zu arger Verstimmung der Klampfe führte, besonders peinlich bei Konzerten auf der Bühne, wenn mühsam nachgestimmt werden musste. Aber die Entwicklung ist nicht stehen geblieben, und wirklich erreichen heutige Tremolos gute Stimmstabilität, wobei man nicht verschweigen sollte, dass exklusive Typen schon mal den Preis ausmachen, den du für eine ganze Gitarre zu Verfügung hast. Bei leichter Verstimmung kann am Steg mittels Feinstimm-Schräubchen nachgestimmt werden, bei grober Verstimmung oder Saitenwechsel muss eine Klemmvorrichtung am Sattel mit dem Schraubenschlüssel gelöst werden, was sicher manchmal umständlich ist und spätestens dann ärgerlich wird, wenn man den Schraubenschlüssel verlegt hat. Jeder Gitarrist muss selbst entscheiden, ob er unter diesen Voraussetzungen ein Tremolo möchte. Interessant ist der Effekt allemal, denn er kann wirklich mit keinem Effektgerät nachgeahmt werden.
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